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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 29.08.2006
Aktenzeichen: 9 U 69/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 233 |
2. Hierzu ist es regelmäßig erforderlich, dass er entweder die erforderlichen Änderungen in dem Schriftsatz handschriftlich vornimmt oder seine Unterschrift streicht (Abweichung von BGH NJW 1982, 2670).
Gründe:
Gegen das ihm am 15.5.2006 zugestellte Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main legte der Kläger am 13.6.2006 Berufung ein. In der Einlegungsschrift werden die Parteien lediglich als "Kläger" und "Beklagte" bezeichnet, einen Zusatz, für welche Partei Berufung eingelegt wird, enthält der Schriftsatz nicht, eine Ablichtung des angefochtenen Urteils war nicht beigefügt. Die am 21.6.2006 angeforderte Akte des Landgerichts ging am 7.7.2006 beim Oberlandesgericht ein.
Unter dem 12.7.2006 wurde der Kläger auf Bedenken an der Zulässigkeit seiner Berufung hingewiesen. Mit Schriftsatz vom 7.8.2006, beim Oberlandesgericht eingegangen am 8.8.2006, vertrat der Kläger die Ansicht, die Berufungsschrift sei formwirksam, hilfsweise beantragte er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Berufung auf die am 3.8.2006 eingegangene Berufungsbegründung, in der eine Nachholung der Berufungseinlegung zu sehen. Zur Begründung trägt er vor, sein Prozessbevollmächtigter habe nach Unterzeichnung der Berufungsschrift bemerkt, dass diese nicht die üblichen Formalia erfülle und seine Mitarbeiterin A über die erforderliche Korrektur informiert und sie gebeten, darauf zu achten, dass diese noch am selben Tag per Fax versandt werde. Da Frau A selbst anderweitig beschäftigt war, wurde die Mitarbeiterin B gebeten, sich um die Berichtigung zu kümmern. Noch bevor die Verbesserung vorgenommen worden war, begann eine Besprechung, an der der Prozessbevollmächtigte teilnahm. Diese dauerte noch an, als Frau A den unterschriebenen, nicht korrigierten Schriftsatz von seinem Schreibtisch genommen und per Fax versandt habe. Den auf der Außenseite des Schreibtischs liegenden korrigierten Entwurf habe sie dabei übersehen. Der Prozessbevollmächtigte habe sich nach Beendigung der Besprechung bei Frau A erkundigt, ob der Rechtsmittelschriftsatz ordnungsgemäß unterschrieben verschickt worden sei, was bejaht worden sei.
Die Berufung ist unzulässig. Die innerhalb der Berufungsfrist eingegangene Einlegungsschrift vom 13.6.2006 erfüllt nicht die formellen Voraussetzungen des § 519 Abs. 2 ZPO, weil sie nicht erkennen lässt, wer das bezeichnete Urteil als Berufungskläger anfechten will. Eine solche Angabe ist über den Wortlaut der genannten Norm hinaus nach ständiger Rechtsprechung für die Zulässigkeit des Rechtsmittels unverzichtbar, weil das Berufungsgericht nur so Klarheit über Gegenstand und Beteiligte des Berufungsverfahrens erlangen kann (BGHZ 21, 168; BGH NJW-RR 2004, 862). Die Parteistellung in zweiter Instanz ergibt sich im vorliegenden Fall weder aus der Parteibezeichnung noch aus der Einlegungserklärung, in der nicht klargestellt wird, für wen der tätig gewordene Rechtsanwalt handelt. Die entsprechende Angabe ließ sich innerhalb der Berufungsfrist auch nicht im Wege der Auslegung ermitteln, weil Informationen darüber, wen der handelnde Rechtsanwalt erstinstanzlich vertreten hat, nicht verfügbar waren. Insoweit hätte der Kläger seiner Berufung entweder eine Ablichtung der angefochtenen Entscheidung beifügen (§ 519 Abs. 3 ZPO) oder die Berufung so zeitig einlegen können, dass die erstinstanzliche Akte noch innerhalb der Berufungsfrist beim Berufungsgericht eingehen konnte.
Umstände, die dem Berufungsgericht erst nach Ablauf der Berufungsfrist bekannt geworden sind, dürfen zur Klärung der für die Zulässigkeit der Einlegung erforderlichen Angaben nicht berücksichtigt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO), da dieser keinen Erfolg hat. Dabei kann dahin stehen, ob - wie der Kläger meint - in der Berufungsbegründung eine Wiederholung der Berufungseinlegung gesehen werden kann. Auch wenn man dies annimmt, der Kläger an der Einhaltung der Frist zur Einlegung der Berufung nicht ohne sein Verschulden verhindert. Zuzurechnen ist ihm insoweit das Verschulden, das seinen Prozessbevollmächtigten trifft (§ 85 Abs. 2 ZPO). Dieser hat bei der büroorganisatorischen Behandlung der Berufungsschrift nicht diejenige Sorgfalt beachtet, die von einer ordentlichen Prozesspartei erwartet werden kann.
Nachdem der Prozessbevollmächtigte erkannt hatte, dass die von bereits unterzeichnete Berufungsschrift nicht den "üblichen" Anforderungen entsprach, hätte er Sorge dafür tragen müssen, dass diese nicht mehr versandt werden konnte. Nach Aufbringung der Unterschrift hat der Rechtsanwalt eine Urkunde geschaffen, die auch bei ungewolltem Inverkehrkommen Rechtswirklungen unter dem Gesichtspunkt der Rechtsscheinhaftung entfalten kann. Der Anwalt muss deswegen in besonderem Maße sicherstellen, dass der Schriftsatz nicht nach außen gelangt und dabei insbesondere auch eine missbräuchliche oder irrtümliche Verwendungen ausschließen. Im vorliegenden Fall lag es nahe, dies entweder durch Streichen der Unterschrift oder durch handschriftliche Anbringung der erforderlichen Änderungen auf dem Schriftsatz zu tun. Letzteres wäre in Anbetracht des geringen Umfangs der erforderlichen Änderungen ohne großen Aufwand möglich gewesen. Der BGH (NJW 1982, 2670) hat eine Streichung der Unterschrift auf einem für korrekturbedürftig erkannten Schriftsatz allgemein nur deswegen nicht für erforderlich gehalten, weil hierdurch die Notwendigkeit entstanden wäre, auch die ansonsten fehlerfreie letzte Seite nochmals zu schreiben. Dieses Argument greift in Anbetracht des Umstands, dass hier auf der letzten Seite gerade elf Wörter standen, nicht mehr. Hinzu kommt, dass heute - anders als zum Zeitpunkt der BGH-Entscheidungen im Jahr 1982 - Anwaltsschriftsätze elektronisch gespeichert sind und mit dem Neuausdruck kein nennenswerter Aufwand mehr verbunden ist.
Seinen besonderen Sorgfaltspflichten ist der Prozessbevollmächtigte des Klägers auch nicht durch die Einzelanweisungen an seine Mitarbeiterinnen A und B nachgekommen. Nach seinem - insoweit nicht vollständigen - Vortrag muss Frau B die Korrekturen vorgenommen haben, während er an der Besprechung teilnahm und ihm den neu ausgedruckten Schriftsatz auf seinen Schreibtisch gelegt haben. Als er sich nach dem Ende der Besprechung nach der Angelegenheit erkundigte und ihm mitgeteilt wurde, die korrigierte Fassung sei versandt worden, muss ihm klar gewesen sein, dass er diese korrigierte Fassung nicht unterschrieben hatte. Außerdem bleibt im Vortrag des Prozessbevollmächtigten unklar, was mit dem nicht unterschriebenen korrigierten Neuausdruck letztlich geschah. Der letzte Absatz des Schriftsatzes vom 7.8.2006 lässt nicht erkennen, wer das Schreiben fand und was daraufhin veranlasst wurde. Die Schilderung, Frau A habe "die Rechtsmittelfrist zudem nicht direkt in den Postversand gegeben, sondern diese (sei) infolge der durch den Umzug bzw. dessen Vorbereitung bedingten Umstände zwischen den Akten" geblieben, ist auch dann unverständlich, wenn man davon ausgeht, dass es statt "Berufungsfrist" richtig "Berufungsschrift" heißen soll.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 I ZPO.
Bei Festsetzung des Streitwerts für die zweite Instanz hat der Senat sich an der Höhe des ursprünglichen Darlehensbetrag in Höhe von 34.403,98 € (71.200,- DM) orientiert. In diesem Betrag sind der Rückzahlungsbetrag und das Interesse an der Freigabe der Sicherheit (Rückabtretung der Lebensversicherung) und der Freistellung enthalten.
Ende der Entscheidung
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